Über Denken und S(ch)ein
Über Mammutmücken und wie deren Stiche jucken und uns dem Glück entrücken…
Dein Verstand ist ein Aktivist und Aktionist, hält dich wie einen Duracell-Hasen beständig in Bewegung – beschäftigt. Durch seine Aktivität vermittelt er dir seine Existenzberechtigung. Durch permanente Suche auf Nachschub von Nahrung suggeriert er dir Sinnfindung, wobei letztlich das System nicht zu sättigen ist. Haben dich bestimmte Erkenntnisse oder Überlegungen je dauerhaft glücklich gemacht, zufrieden gestimmt oder den immerwährenden Wissensdurst gestillt? Ruhe und innerer Frieden sind so nicht zu erreichen.
In der Ruhe liegt die Kraft so heißt es, doch was bedeutet das? In Bezug auf deinen Verstand kannst du dir dieses Prinzip mit Hilfe der Metapher einer Schneekugel visualisieren und im wahrsten Sinne des Wortes verständlich machen. Erst dann, wenn wahrlich Ruhe eingekehrt ist, lichtet sich das Schneegestöber und ermöglicht dir eine freie Sicht auf die Welt, wie sie ist. Stille ist der Schlüssel, der das Tor zum Sein öffnet. Die Betriebsamkeit des Geistes dagegen ist der Mechanismus, der die Tür ins Schloss fallen lässt und den Eintritt verhindert.
Bist du tatsächlich weil du denkst? Oder glaubst du vielleicht sogar zu sein, was du denkst? Ein erdachter Irrtum? Möglicherweise liegt das Sein jenseits allen Denkens. Für deinen Verstand eine sehr kritische Annahme, die auf ihn existenzbedrohlich wirkt und in Frage stellt, ob er für deine Existenz eine Daseinsberechtigung liefert. Du bist nicht (identisch mit) deine(n) Wahrnehmungen, sondern der Raum, in dem diese geschehen. Du bist ebenso nicht das Schauspiel, welches sich auf der Bühne ereignet, sondern der Saal in dem die Aufführung erfolgt. Wärst du Bestandteil des Stückes, würdest du in jeder Szene vergehen, da sie stetig durch eine neue ersetzt wird. Doch genau diese kleinen Tode stirbst du in regelmäßiger Beständigkeit.
Du bist der stille Beobachter bzw. Stille-Beobachter, der Zeuge des Schauspiels, der im Hintergrund ruht. Der Raum ist vollkommen unbeeindruckt, von den Unwettern, die in ihm toben. Denn deren Regungen können keinen Einfluss auf ihn ausüben. Er besteht völlig unabhängig von ihnen. So verhält es sich auch mit deinen Wahrnehmungen, die kommen und gehen und dein Selbst dabei nicht mitnehmen. Du folgst jedoch oft der bequemen Einladung deines Verstandes, dich von ihm spazieren führen zu lassen. Stattdessen könntest du deinen Geist an die Leine nehmen und ihm beibringen Fuß zu laufen. Das ist ein sehr beschwerliches und mühsames Unterfangen, denn dein Verstand liebt es auf Wanderschaft zu gehen. Pfeifst du ihn jedoch unablässig zurück, wird er sich beugen. Er mag ein guter Diener sein, aber kein guter Herr. Und wie der Herr so sein Gescherr. Lass dich nicht beherrschen.
Deine gedankliche Aktivität hat bedeutsame Auswirkungen, denen du dir allerdings oft genauso wenig bewusst bist, wie deiner gedanklichen Aktivität selber. Du erlebst dich oft dagegen als deine Gedanken bzw. eins mit diesen. Doch du bist nicht deine Gedanken. Was denkst du? Wer denkt? Wer gibt die Antwort auf diese Frage? Wer empfängt die Antwort auf diese Frage? Schenke deinen Gedanken keinen Glauben – sie sind Gedanken – also keine Realität, sondern Fiktion – das ist ihre Natur – nicht deine.
Du neigst zu bewussten und unbewussten Bewertungen deiner oder genauer gesagt der Wahrnehmungen, die deinen Organismus durchströmen. Du bist in einem menschlichen Organismus manifestiertes (Da-)Sein, welches sich selbst erfährt und in Form einer menschlichen Ek-sistenz erlebt. Deine Bewertungen lassen sich meist leicht kategorisieren in positive, negative oder neutrale. Die einen erfüllen dein Ego andere nicht. Deine aus gedanklichen Konstrukten bestehende Ich-Identität wertet sie als erfreulich, unerfreulich oder gleichgültig. Unabhängig von deiner Bewertung sind alle Ereignisse prinzipiell neutral bzw. gleich-wertig. Sie sind ganz einfach, was sie sind. Deine persönliche Wahrnehmung und vor allem Bewertung der Erfahrungen dagegen, machen dich zu dem, was du zu sein glaubst, aber weder warst noch bist, noch je sein wirst oder gar sein kannst.
Resultierend aus deinen Bewertungen ergeben sich Tendenzen Erfahrungen festhalten oder ablehnen zu wollen. Beides steht dem grundlegenden Prinzip des Lebens des stetigen Wandels aller Formen entgegen. Aus dieser Verweigerung der Wirklichkeit auf Basis deines Wunschdenkens erschaffst du Leid. Das, was dir gefällt, willst du erhalten. Das, was dir nicht gefällt, willst du beseitigen. In der buddhistischen Lehre werden diese Prinzipien von Unwissenheit, Anhaftung und Vermeidung als zentrale Verursacher deiner leidvollen Erfahrungen gelehrt.
Unwissenheit bedeutet sich dieser grundlegenden Gesetzmäßigkeiten nicht bewusst zu sein. Die einzige Sicherheit ist die Unsicherheit, die einzige Beständigkeit die Unbeständigkeit. Alle anderen Wunschvorstellungen sind mentale Illusionen. Du leidest dadurch, dass du deine Erfahrungen nicht als die akzeptierst, die sie sind, sondern Vorstellungen darüber entwickelst, wie sie sein sollen. Du erschaffst eine Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Nichts ist bspw. problematisch daran traurig zu sein. Zum Problem wird es erst dann, wenn du dich dagegen auflehnst und diesen Zustand als unliebsam etikettierst und festlegst, wie es stattdessen sein soll.
Probleme benötigen eine gedankliche Grundlage. Ohne diese können sie nicht existieren. Sie ek-sistieren in Abhängigkeit deiner gedanklichen Bewertungen. Wie steht es um deine Erkenntnis der Polaritätsprinzipien des Lebens, dem Spiel zwischen den Gegensätzen? Einatmen und Ausatmen, Tag und Nacht, gut und böse, gesund und krank. Wie kannst du Freude empfinden ohne Trauer zu kennen? Ein Verständnis der wechselseitigen Bezogenheit der Pole ermöglicht es dir dich auch mit den vermeintlich unliebsamen Polen auszusöhnen, deinen Frieden mit ihnen zu schließen oder vielleicht sogar Dankbarkeit für sie zu entwickeln, denn ohne sie könntest du auch die angestrebte Erfahrung nicht als solche empfinden.
Erkenne die Macht deiner Gedanken. Übergebe dich nicht der Ohnmacht ihnen gegenüber. Deine Gedanken wirken sich auf deine Gefühle aus. Ganz einfach ausgedrückt, erzeugen gute gedankliche Bewertungen gute Gefühle, wogegen sich aus schlechten Gedanken schlechte Gefühle ergeben. Sowohl deine gedankliche Aktivität als auch dein emotionales Erleben manifestieren sich auch körperlich in guten oder schlechten Zuständen. Du kennst dieses Phänomen vielleicht unter dem Begriff Psychosomatik. Symptome sind deutlich und eindeutig wahrnehmbar und können eine klare Aussagekraft über die hintergründigen Prozesse vermitteln
Z.B. kann gedankliche Unsicherheit, ein Gefühl von Angst erzeugen, welches auf körperlicher Ebene Anspannung auslöst. Unser körperliches und emotionales Empfinden stellt gewissermaßen eine Anzeigentafel dar, die dir ermöglicht deine mentalen Bewertungsprozesse bewusst zu machen bzw. dir in jedem Fall ihre Auswirkungen verdeutlicht und zum Ausdruck bringt. Je aufmerksamer du diese Anzeigentafel studierst desto günstiger kannst du dein Wohlbefinden beeinflussen. In alltäglichen Situationen gehst du sicherlich mit ähnlichen Sachverhalten souverän um. So geht dir sicher ein Licht auf, wenn die Ölstandanzeige im Auto aufleuchtet. Du verstehst, dass zur Aufrechterhaltung der Funktionalität des Autos unverzüglich Öl nachgefüllt werden muss.
Auf entsprechende Signale deines Organismus reagierst du vermutlich leider nicht so selbstfürsorglich und eigenverantwortlich. Metaphorisch formuliert ist anzunehmen, dass du die Leuchte abdeckst, nicht hinschaust oder wenn sie dir ein Ärgernis ist, sogar zerschlägst, um das „leidige Symtpom“ loszuwerden. Du verschaffst dir so zwar symptomatische Erleichterung, erkennst und beseitigst jedoch nicht deren Auslöser. Ursachenforschung wäre sicherlich die cleverere Strategie. Statt Pillen gegen Kopf-, Bauch- oder Rückenschmerzen einzuwerfen, wäre es nützlich zu eruieren, wodurch die Schmerzen entstanden sind. Bemühst du dich wirklich das herauszufinden und vor allem reagierst du dann auch sinnvoll darauf?
Neben diesen Prozessen, die sich innerhalb von dir abspielen, ist deine Interaktion und der wechselseitige Dialog mit deiner Umwelt bedeutsam. Unser Austausch mit anderen Menschen ist geprägt durch vielseitige und hochfrequente Aktions-Reaktionsmuster. Da du also nicht in einer Seifenblase lebst, wirkt sich deine gedankliche Bewertung von Sachverhalten, die deinen emotionalen Zustand beeinflusst als Input auf die Kommunikation mit anderen Menschen aus. Dein Verhalten erzeugt Resonanz sowie das Verhalten anderer gleichermaßen. Reaktionen hängen ab von Aktionen: Ernte und Saat-Prinzip. So wie du in den Wald rufst,…: dein positives Handeln wird positives Feedback erzeugen. Auch wenn du es gerne anderen zuschreiben magst: diese sind nicht dafür verantwortlich, wie du dich fühlst, sondern du selber. Was Fred über Fritz sagt, sagt mehr über Fred als über Fritz.
Sei nicht die Marionette deiner Gedanken. Schreibe dein eigenes Drehbuch oder noch besser: gib den Job als Regisseur auf. Es ist nicht nötig die Geschichte deines Lebens zu verfassen. Das Leben übernimmt diese Aufgabe. Gedanken mögen entstehen, Gedanken werden vergehen – auch ohne dein zutun. Lass das Denken geschehen, so wie das Atmen geschieht. Geschehen und Vergehen lassen ist weniger existenzbedrohlich als du denkst! Hören wir nämlich auf zu denken, tauchen wir ein in die Stille des All-ein(s)-seins. Nicht du stirbst, sondern dein Ego.
Bin Schauspieler,
stehe auf der Bühne sozusagen.
Doch muss auch im Publikum
als Zuschauer mich ertragen.
Bin weder Mutter, Kind noch Vater.
Bin das ganze Theater!